Pädagogisches Konzept des comp@ss
Pädagogisches Konzept des comp@ss
Pädagogisches Konzept des comp@ss
"Ein offizielles pädagogisches Konzept von comp@ss existiert bislang nicht in schriftlicher Form. Es existieren jedoch eine Reihe von Dokumenten, die die AG comp@ss verabschiedet hat, aus denen ein Konzept abgeleitet werden kann. Ich beziehe mich bei der Darstellung des pädagogischen Konzepts daher vor allem auf die sog. „10 goldenen Regeln für comp@ss-Trainer“, die Präambel zur Durchführung von comp@ss-Kursen, den Leitsatz der AG comp@ss ( und die Teilnehmerbögen des comp@ss.
Der pädagogische Ansatz von comp@ss basiert darauf, dass außerschulische Kinder- und Jugendbildung nicht sinnvoll auf funktionale Bildung im Sinne von Qualifizierung (vgl. SCHERR 2002, S. 96) verkürzt werden kann. Dies findet Entsprechungen in den Maximen der „Digitalen Kinder- und Jugendstadt“, aus der die Initiative für einen gemeinsamen Berliner Kinder- und Jugend-Computerführerschein mit hervorgegangen ist (vgl. Kapitel 2.1). So betonen LISCHKE & SIERKS (2001) im Konzept der „Digitalen Kinder- und Jugendstadt“, dass in Abgrenzung zu eher schulorientierten bzw. einem traditionellen Bildungsbegriff verpflichteten Konzepten nicht die Vermittlung von technischen Fähigkeiten und Wissenstransfer im Vordergrund stehen, sondern die Vermittlung von sozialen Organisationsfähigkeiten. Grundlage hierfür ist ein Verständnis von Pädagogik, die mit Bildung nicht nur Qualifikation assoziiert, sondern im Sinne des Bundesjugendkuratoriums immer mehr auch von „Lebenskompetenz“ (vgl. BMFSFJ 2001, S. 21) spricht. Im Computerführerschein comp@ss wird der Begriff der Medienerziehung weiter gefasst und auf lebensweltlicherfahrungsorientierte, medienästhetische, kulturelle und journalistische Ansätze ausgedehnt. Neben rein technischem Wissen, sollen Kinder und Jugendliche alle Dimensionen von Medienerziehung erfassen. „Pädagogisch-praktisch gewendet führt eine handlungsorientierte Medienpädagogik zu Konzepten, die über Rezeptionsorientierung hinausgehen und Kindern und Jugendlichen aktive Medienpartizipation eröffnen“ (BAACKE 1997, S. 56). Durch praxisorientierte Computerarbeit sollen Kinder und Jugendliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die ihnen helfen, sich in der Informationsgesellschaft zu orientieren (vgl. Leitsatz der Arbeitsgemeinschaft comp@ss). Im Sinne des politischen Auftrags der Jugendhilfe (der Bildungsauftrag der Jugendarbeit ergibt sich aus §11 SGB VIII (Schwerpunkt allgemeine Bildung,
insbesondere soziale, politische, kulturelle, naturkundliche, gesundheitliche, technische Bildung) und dem
Berliner AG KJHG §6) und der Ziele und Prinzipien der Jugendarbeit (vgl. SENBJS 2006a, S. 42) schließt dies die Befähigung zum lebenslangen Lernen, die Förderung von eigenverantwortlichem Handeln, die Entwicklung von Sinn für das Gemeinwesen, Selbständigkeit, Diskurs und Kritikfähigkeit sowie staatsbürgerliche Mündigkeit ein (vgl. Präambel des comp@ss-4U, Kapitel 4.1.2). Diese Ansätze lassen sich durch die mit dem Wandel zur Kommunikations- und Informationsgesellschaft einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen begründen. Die früheren Strukturen der Industriegesellschaft werden abgelöst durch neue Strukturen der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Dem Einzelnen stehen in immer kürzerer Zeit immer mehr Informationen und Wissen zur Verfügung. Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen wandeln sich und Anforderungen an Arbeitnehmer werden immer komplexer. Schule ist längst nicht mehr der einzige Ort an dem berufsrelevantes Wissen erworben wird. Die Grenzen und die Bedeutung von formeller in Bezug auf nichtformelle Bildung verschwimmen. Der Paradigmenwechsel in der Pädagogik hin zu Lehr- und Lernkonzepten, in denen der Lehrer eher die Rolle eines Moderators einnimmt und Selbstbildungsprozesse befördert, kommt demnach nicht von ungefähr, sondern ist ein logisches Resultat daraus, dass traditionelle Bildungssysteme mit ihren Konzepten und Methoden in der Informationsgesellschaft an ihre Grenzen stoßen. Ein zukunftsfähiges Bildungskonzept muss diesen Umständen
Rechnung tragen und Eigenständigkeit, soziale Verantwortung, kommunikative Fähigkeiten, interkulturelles Verständnis und friedliche Konfliktlösung befördern. Diesem Verständnis liegt ein „erweiterter Lernbegriff“ zugrunde, der inhaltlichfachliches
Lernen, methodisch-strategisches Lernen, sozial-kommunikatives Lernen und affektives Lernen miteinander verbindet (vgl. KLIPPERT 1996, S. 31 ff; SENBJS 2006a, S. 4; siehe Abbildung 2). Dieses Lern- und Bildungsverständnis ist (gerade im Bereich
der Jugendarbeit) theoretisch nicht neu. Es bedarf meines Erachtens dennoch einer besonderen Hervorhebung, da es zum großen Teil – besonders in der Schule – noch nicht selbstverständlich umgesetzt und praktiziert wird. Erstmals mit Inkrafttreten des
neuen Schulgesetztes von Berlin, im Februar 2004, finden sich die genannten Ansätze überhaupt auch verbindlich für die Schule niedergeschrieben (vgl. Schulgesetz für das Land Berlin, insb. §3). Im vorhergehenden Schulgesetz fehlten sie gänzlich. Es ist daher zu erwarten, dass entsprechende Umsetzungen und Konzepte erst nach und nach Einzug in die Praxis der Schule finden.
Erweiterter Lernbegriff | |||
---|---|---|---|
Inhaltlich-
fachliches |
Methodisch-
strategisches |
Sozial-
kommunikatives
Lernen |
Affektives
Lernen |
|
|
|
|
Fachkompetenz | Methoden-
Kompetenz |
Sozialkompetenz | Selbstkompetenz |
Erweiterter Lernbegriff nach Klippert (1996), S. 32
Zum Verständnis des erweiterten Lernbegriffs gehören die folgenden Aspekte. Lernen beschreibt einen aktiven Vorgang, der auf der Motivation des Lernenden basiert. Lernprozesse sind grundsätzlich konstruktive und eigenständige Prozesse des Individuums. Das Lehr-Lern-Konzept von comp@ss basiert auf einem gemäßigt konstruktivistischen Ansatz. Dies impliziert, dass Wissen nicht weitergegeben werden kann, sondern etwas subjektiv Angeeignetes, vom Lernenden Konstruiertes darstellt. Dies erfordert vom Lernenden Selbststeuerung und Selbstkontrolle und erfolgt im kommunikativen Geschehen (vgl. LEHMANN & NIEKE (o. J.), S. 6). Genauso wie nach diesem Modell Wissen nicht weitergegeben werden kann, können auch Kompetenzen nicht wirklich „vermittelt“ werden. Die Termini „Wissens- und Kompetenzvermittlung” werden zwar im Text im Zusammenhang mit den Intentionen der Arbeitsgemeinschaft comp@ss verwendet, sind aber immer wie im oben beschriebenen Sinn als individuelle Aneignungsprozesse zu verstehen. Es ist lediglich möglich günstige Bedingungen für den Wissens- oder Kompetenzerwerb zu schaffen. Ein Ziel von comp@ss-Kursen ist die Erlangung von Handlungskompetenz. „Handlungskompetenz wird verstanden als die Fähigkeit des Einzelnen sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht, sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“ (Kultusministerkonferenz, 05.02.1999). Ziel ist demnach nicht nur die Erlangung von Kompetenzen im Umgang mit Medien, sondern auch die Erlangung von Handlungskompetenzen, die auf andere Lebensbereiche übertragen werden können.
Die Arbeitsgemeinschaft comp@ss legt dabei ein Kompetenzmodell zugrunde, in dem die Handlungskompetenz in Bezug auf die Kommunikations- und Informationsgesellschaft im Zentrum steht (vgl. Abbildung 3 auf der nächsten Seite).
Der Begriff der Kompetenz ist durch seine fast schon inflationäre Verwendung in den unterschiedlichsten Zusammenhängen von seiner Bedeutung her sehr unscharf und mehrdeutig geworden. Ich möchte an dieser Stelle keinen theoretischen Exkurs zum Begriff der „Kompetenz“ an sich anstellen, sondern lediglich verdeutlichen wie die Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit dem Computerführerschein comp@ss verstanden werden muss. Der Begriff Kompetenz im pädagogischen Kontext meint zunächst einmal die „Fähigkeit einer Person, Anforderungen in bestimmten Bereichen zu entsprechen“ (vgl. WÖRTERBUCH PÄDAGOGIK 2004, S. 326). Kompetenzen können also als erworbene Fähigkeiten, die eine Person in einem bestimmten Kontext handlungsfähig machen, bezeichnet werden. Je nachdem in welchem Kontext der Begriff Kompetenz gebraucht wird, erfährt er unterschiedliche Ausdifferenzierungen.
Dem Computerführerschein comp@ss zugrunde liegendes Kompetenzmodell
Um die Kompetenzbegriffe des vorliegenden Modells nicht als leere Worthülsen stehen zu lassen, seien ihnen folgende Konkretisierungen hinzugefügt:
- Fachkompetenz umfasst u.a. neben der Kenntnis von Fachwissen auch die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen und das eigene Wissen zielgerichtet einsetzen und reflektieren zu können.
- Methodenkompetenz umfasst u.a. die Fähigkeiten sich selbst Informationen und Wissen zu beschaffen, rationell zu arbeiten, situationsgerecht Problemlösestrategien zu entwickeln und anzuwenden, Fragen zu stellen und Ergebnisse zu strukturieren.
- Selbstkompetenz beinhaltet u.a. Leistungsbereitschaft, sowie das Erkennen eigener Stärken und Schwächen, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen und Eigenständigkeit.
- Sozialkompetenz umfasst u.a. die Bereitschaft und Fähigkeit, mit anderen gemeinsam im Team zu arbeiten, tolerant und einfühlsam zu handeln und Konflikte angemessen zu meistern."
(aus Diplomarbeit zur Entwicklung eines Schulungskonzepts für Trainerinnen und Trainer des Berliner Kinder und Jugend-Computerführerscheins comp@ss von Florian Mannchen)